Peter Gwiasda, Planungsbüro VIA Köln
Peter Gwiasda vom Planungsbüro VIA e.G., Köln, ist ein renommierter Verkehrsplaner und Radverkehrsexperte.
Er leitete die Arbeitsgruppe der ERA 2010 und erarbeitete mit seinem Kollegen Frank Reuter von Mitte 2012 bis Anfang 2013 das Radverkehrskonzept Friedrichshafen. Bernhard Glatthaar stellte ihm die folgenden Fragen.
ADFC: Welchen persönlichen Bezug haben Sie zum Fahrradfahren?
Gwiasda: Regelmäßig fahre ich seit meinem 16. Lebensjahr Fahrrad. Damals habe ich das Fahrrad als ideales Verkehrsmittel für die Stadt entdeckt. Allerdings waren in den 70er Jahren noch nicht alle dieser Meinung. Der damalige Leiter des Straßenbauamtes in Köln meinte noch, dass Radfahren für Großstädte nichts sei und keine Zukunft hätte. Vor diesem Hintergrund bin ich Anfang der 80er Jahre in den ADFC eingetreten und war einige Jahre der Sprecher für Verkehrsplanung. Das war noch echte Basisarbeit. Mittlerweile ist Radverkehr anerkannt und ich selbst fahre fast jeden Tag die 10 Kilometer ins Büro.
ADFC: Sie haben bei Ihrer Arbeit die Verkehrswege in Friedrichshafen sehr detailliert analysiert. Wo ist Friedrichshafen bereits vorbildlich, was die Infrastruktur für Radfahrer betrifft? Welches sind die größten Herausforderungen?
Gwiasda: In Friedrichshafen sind mir zwei Dinge besonders aufgefallen: Einmal, dass es fast an allen Hauptverkehrsstraßen Radverkehrsanlagen gibt. Größere Netzlücken gibt es nur wenige. Besonders vorbildlich finde ich, dass viele Elemente, wie z.B. Furten im Zuge von Einmündungen oder die Gestaltung von Kreisverkehren, den Empfehlungen für Radverkehrsanlagen entsprechen. Andererseits gibt es auch in Friedrichshafen Altlasten, wie zu schmale Radwege bzw. Geh- und Radwege. Hier besteht Sanierungsbedarf. Aber auch die Kommunikation mit dem Bürger ist zu verbessern. Hier gab es in der Vergangenheit Defizite.
ADFC: Was unterscheidet das Radverkehrskonzept, das Sie für Friedrichshafen erarbeitet haben, vom Metron-Konzept, das vor 12 Jahren beschlossen wurde?
Gwiasda: Das Radverkehrskonzept von Metron war sehr innovativ und hat viele neue Entwurfselemente eingebracht. Im Metron-Konzept wurde der Radverkehr schon konsequent als Fahrverkehr geplant und neue Elemente wie Schutzstreifen eingeführt. Der Schwerpunkt beim VIA-Konzept liegt eher in der Systematisierung über Musterlösungen und in einem flächenhaften Ansatz. Innovative Elemente versuchen wir für die Innenstadt zu platzieren, z.B. Fahren auf der Fahrbahn bei verminderter Kfz-Geschwindigkeit (Tempo 20-Bereich). Außerdem sollen künftig ein „Veloring“ und ein Radschnellweg für bessere Verbindungen zu den wichtigsten Arbeitsplatzschwerpunkten sorgen.
ADFC: Welches sind die wichtigsten Erfolgsfaktoren, um eine dauerhafte Förderung des Radfahrens in einer Stadt wie Friedrichshafen zu erreichen?
Gwiasda: Die Stadt Friedrichshafen ist trotz der bisher schon ambitionierten Radverkehrsförderung immer noch stark vom Kfz-Verkehr geprägt.
Das Auto dominiert den starken Einpendler- und Kundenverkehr. Um wirklich eine ganz andere Mobilitätskultur in der Stadt zu erreichen, muss ein Schwerpunkt auf das Mobilitätsmanagement gelegt werden. Hier sollte die Werbung für den Radverkehr ansetzen. Die Verknüpfung der Verkehrsmittel und ein Angebot an Leih- und Leasingrädern wäre hier wichtig. Es ist aber auch wichtig, den Radverkehr in den zentralen Teilen der Stadt gleichberechtigt mit dem motorisierten Verkehr zu führen.
ADFC: Welche Rolle kann der ADFC bei der nun folgenden Umsetzung des Radverkehrskonzeptes einnehmen?
Gwiasda: Ich bin immer sehr froh, wenn es einen Fürsprecher für den Radverkehr gibt, der die Entscheidungsträger in der Politik und die Verwaltung motiviert und informiert. Das sorgt für eine Nachhaltigkeit in der Umsetzung, die ohne Interessenvertretung so nicht da ist.
Eine weitere wichtige Aufgabe ist es, künftige Entwicklungen im Blick zu halten, denn meiner Überzeugung nach wird mit der Energiewende auch eine Verkehrswende einher gehen. Hier wird es neue Entwicklungen geben, die im Radverkehrskonzept nicht in vollem Umfang absehbar sind. Eine spannende Aufgabe für den ADFC.
ADFC: Vielen Dank für das Interview.