Vorgezogene Teilfreigabe der B 31 neu
Ein fragwürdes Vorgehen der Behörden und der Deges zu Lasten des Radverkehrs
Das Regierungspräsidium Tübingen (RPT) und DEGES verkündeten im Jahr 2020 ihre Entscheidung, das westliche Teilstück der B 31 neu bis zum Anschluss Heiseloch vorab für Kfz < 3,5 t freizugeben.
Leider veröffentlichte das RPT das Modus-Consult-Gutachten zur vorgezogenen Teilfreigabe erst auf Druck des Gemeinderates und der Öffentlichkeit. Es stellte sich heraus, dass im Gutachten nicht alle betroffenen Verkehrsströme und Knotenpunkte untersucht worden waren und dass die Auswirkungen auf den Rad- und Fußverkehr sowie den ÖPNV nicht Gegenstand des Gutachtens waren.
Aus Sicht des ADFC war die Teilfreigabe kontraproduktiv, denn den geringen Vorteilen für den Pkw-Verkehr mit wenigen Minuten Zeitersparnis und den kaum spürbaren Verbesserungen für die Anwohner in Fischbach – der Lkw-Verkehr rollte nämlich weiterhin über die alte B 31 – standen negative Auswirkungen auf nun deutlich höher belasteten anderen Straßen gegenüber. Für den Rad- und Fußverkehr ergaben sich ausschließlich Nachteile durch höheren Kfz-Verkehr auf Straßen mit Mischverkehr und durch verlängerte Wartezeiten an signalisierten Kreuzungen wie am Anschluss Fischbach West oder an der Hochstraße/Maybachstraße.
Wie schwammig und teilweise widersprüchlich die Argumentation der Behörden war, kann am Beispiel des Knotens Hochstraße/Maybachstraße verdeutlicht werden:
Das Gutachten empfahl: „Durch eine Verlängerung der Umlaufzeit (von 90) auf 120 Sekunden kann eine Verbesserung der verkehrlichen Leistungsfähigkeit […] erreicht werden.“
Der ADFC kritisierte diese geplante Verlängerung der Wartezeiten auch wegen der Schulroute für Radler und Fußgänger an diesem Knoten. Die gemeinsame Antwort des RPT und der Stadt Friedrichshafen an den ADFC lautete:
„Durch eine geänderte Phaseneinteilung an den Lichtsignalanlagen kann die Wartezeit für Fußgänger und Radfahrer im bisherigen Rahmen gehalten werden.“
Im November legte die Stadt Friedrichshafen dem Finanz- und Verwaltungsausschuss einen Zwischenbericht vor, in dem stand: „Die verlängerten Wartezeiten für Fußgänger und Pkw an der Kreuzung Hochstraße/Maybachstraße werden akzeptiert.“
Dass das Gutachten die Verlagerung des Kfz-Verkehrs während der Teilfreigabe falsch einschätzte, zeigte sich an der realitätsfernen Prognose zwischen dem Anschluss der B 31 neu bei Sparbruck und dem Riedleparktunnel:
Laut DEGES sollte die Hochstraße den Verkehr vom Anschluss Heiseloch aufnehmen, um über die Maybach- und Colsmanstraße zurück zum Riedleparktunnel zu fließen. Diese unrealistische Prognose stellte sich schnell als wirklichkeitsfernes Wunschdenken heraus, denn die Navigationsgeräte wählten wie erwartet die schnellere und kürzere Route durch Waggershausen.
Unabhängig davon, wie man die vorgezogene Teilfreigabe bewertet, es bleibt ein Nachgeschmack: Warum führen das RPT und die Stadt Friedrichshafen sowie DEGES die Öffentlichkeit und den Gemeinderat mit einem löchrigen Gefälligkeitsgutachten und fragwürdigen Sitzungsunterlagen an der Nase herum?
Bernhard Glatthaar (2021)