Zukunftsverweigerung
Die Modernisierung des Stadtbahnhofs war ursprünglich für 2015, dann für 2019 geplant, nun ist mit einem Beginn der Arbeiten nicht vor 2021 und einer Inbetriebnahme ab 2023 zu rechnen.
Der inakzeptable Zustand dieses wichtigsten Bahnhofs am nördlichen Bodenseeufer wird also noch Jahre so bleiben. Die natürliche Reaktion darauf ist, die schnellstmögliche Umsetzung der Modernisierung einzufordern.
Tatsache ist aber, dass der Umfang der von der Bahn vorgesehenen Umbaumaßnahmen nicht ausreichend ist. Die Stadt Friedrichshafen wünschte sich zwar Nachbesserungen, war aber nie bereit, sich angemessen an der Finanzierung zu beteiligen und mit der Bahn eine Vereinbarung zustande zu bringen.
Der ADFC ist der Meinung, dass der Umbau des Stadtbahnhofs wesentlich umfassender erfolgen muss als geplant und dass die Stadt massiv in den Stadtbahnhof investieren muss, um diese wichtige Infrastruktur zukunftsfähig zu machen. Wenn einmal ein Halbstundentakt realisiert ist, die Umsteigezeiten minimiert, auf der Gürtelbahn partielle Zweigleisigkeit besteht und die Elektrifizierung umgesetzt ist, die Fahrzeiten kürzer und das Wagenmaterial auf dem neuesten Stand sind, werden mehr Menschen mit der Bahn fahren. Experten sagen, dass sich der Anteil des öffentlichen Verkehrs im Vergleich zu heute verdoppeln muss, um den notwendigen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Mit solchen Fahrgastzahlen wäre der Stadtbahnhof heillos überfordert.
Durch die demografische Entwicklung und das sich wandelnde Mobilitätsverhalten werden zukünftig mehr mobilitätseingeschränkte Personen und auch Fahrgäste mit Fahrrädern die Bahn benutzen. Wie soll ein einziger Aufzug pro Bahnsteig diese Anforderungen erfüllen? Der ADFC fordert deshalb am Gleis 2/3 und 4/5 den Bau von Rampen, damit ein barrierefreier Zugang auch für Radgruppen möglich ist. Am Gleis 1 und am Franziskusplatz sind deutlich größere Aufzüge notwendig, denn die heutigen sind untauglich.
Der Aufzug auf der Nordseite des Stadtbahnhofs beim Franziskusplatz ist zu klein, um überhaupt ein Fahrrad zu transportieren. Ein größerer Aufzug ist bei der Bahnhofsmodernisierung nicht geplant. Die Bahn und die Stadt Friedrichshafen stellen sich stur.
Ende 2019 stellte die Grüne Fraktion im Gemeinderat den Antrag, in dem u.a. größere Aufzüge (2,7x1,8 m) und Rampen gefordert wurden. Die Stadtverwaltung und die Mehrheit des Gemeinderats lehnten den Antrag ab, mit der Bahn notwendige Nachbesserungen zu verhandeln, und beklagten ihre „Hilflosigkeit“. Eine weitere Verschiebung des Zeitplans käme nicht in Frage. Was sind aber wenige Jahre Verzögerung bei einem Bahnhofsumbau, der dann zwei oder mehr Generationen lang Bestand haben wird?
Mit dieser fatalen Entscheidung verbaute der Gemeinderat wohl endgültig die Chance auf einen leistungsfähigen Schienenverkehr am nördlichen Bodenseeufer.
(Bernhard Glatthaar, 2020)